«Ich lerne gerne von erfahrenen Persönlichkeiten»

«Aufgrund des Jubiläums wollte ich an der Tagung dabei sein – ein besonderes Ereignis! Hundert Jahre sind lang und gleichzeitig kurz… Es ist meine dritte Tagung. Dass es mittlerweile so viele Workshops, künstlerische Kurse und Austauschforen gibt, hat mich erstaunt und gefällt mir. Ich denke, diese Form des gemeinsamen Arbeitens, des Mitwirkens und Teilhabens ist zukunftsträchtig. In diese Richtung sollte es gehen. Gleichzeitig mag ich es auch, von erfahrenen älteren Persönlichkeiten zu lernen. Das nährt mich. Den Landwirtschaftlichen Kurs habe ich während meiner biodynamischen Ausbildung kennengelernt. Wir haben jede Woche darin gelesen. Jetzt lesen wir den Kurs wieder in unserer Hofgemeinschaft mit unseren Praktikanten. Jedes Mal, wenn ich ihn wieder lese, sehe ich andere Aspekte, lese ihn unter einem anderen Blickwinkel und verstehe mehr.»

Bertrand Tournaire bewirtschaftet seit kurzem mit seiner Familie und einer befreundeten Familie eine Ferme in den Vogesen, Nähe Colmar (F) – nach sieben Jahren Hofsuche. Produziert werden Früchte und Milchprodukte in biodynamischer Qualität. 

«Für die tiefen Themen brauche ich die Gemeinschaft»

«Ich bin zum zweiten Mal an der Landwirtschaftlichen Tagung. Es ist der Austausch über anthroposophische Themen, der mich anzieht: das intensive Arbeiten während vier Tagen an diesem speziellen Ort, das Durchdringen der Themen, die vielen verschiedenen Blickwinkel … Über Gewächshauskulturen kann ich mich auch alleine fortbilden, aber für die tiefen Themen brauche ich die Gemeinschaft. Mich sprechen vor allem die kleinen Formate an – die Workshops und die Open Spaces –, wo man in den Austausch kommt. Die Präparate und die Hofindividualität sind für mich die zentralen Inhalte des Landwirtschaftlichen Kurses und eigentlich der Kern der Biodynamik. Die Präparatearbeit ist mir auch persönlich sehr wichtig. Sie berührt mich, ich empfinde sie als anmutige Tätigkeit. Gleichzeitig ist sie eine Willenssache: Man muss eine Stunde konzentriert anwesend sein und sich ausschliesslich dieser Sache widmen. Auch das gemeinsame Herstellen der Präparate ist eine schöne Erfahrung, die verbindet.»

Rebekka Halbig ist Landwirtin und hat ihre Ausbildung an der Freien Landbauschule Bodensee gemacht. Zurzeit arbeitet sie angestellt auf einem Milchwirtschaftsbetrieb mit eigener Milchverarbeitung im Appenzellerland (CH).

«Sind wir imstande, vom Materiellen ins Geistige zu kommen?»

«Ich war bestimmt schon 15 bis 20 Mal an der Landwirtschaftlichen Tagung. Sie war ein fixer Termin für mich, um zu sehen, was in der biodynamischen Bewegung läuft, und um neue Impulse zu empfangen. Man wird ja stallblind und muss den Blick immer wieder weiten! Nach einer grösseren Pause, auch bedingt durch Corona, wollte ich mir zum 100-Jährigen wieder Zeit nehmen. Wo stehen wir heute? Sind wir imstande, vom Materiellen ins Geistige zu kommen? Schaffen wir es, die soziale Frage zu lösen und zusammenzuarbeiten? Die Wirrnisse der aktuellen Zeit fordern von uns Eigenverantwortung, Selbständigkeit, Ehrlichkeit, Wahrhaftigkeit. Dafür können wir hier voneinander Kraft bekommen. Die persönliche Auseinandersetzung mit der Anthroposophie hingegen ist unsere tägliche Hausaufgabe. Der Landwirtschaftliche Kurs bedeutet für mich die grösste Herausforderung. Er ist konzentrierte Weisheit. Ich erinnere mich, dass ich am Anfang einen halben Tag an einem Abschnitt herumstudierte. Erst durch die Methode von George O´Neil ‹Wie man ein Steiner-Buch liest› und deren schriftliche Zusammenfassung von Florin Lowndes bekam ich einen Schlüssel in die Hand und fand einen Zugang, der mir tieferes Verständnis ermöglicht.» 

Josef Tinzl gehört zu den Demeter-Pionieren des Apfelanbaus im Vinschgau (Südtirol, I) und gründete vor 23 Jahren die internationale Fachgruppe für biologisch-dynamischen Obstbau mit.



«Der Landwirtschaftliche Kurs ist eine Quelle für die Meditation»

«Diese hundert Jahre biodynamische Landwirtschaft sind ein ganz spezieller Moment. Man wird gezwungen, die eigene landwirtschaftliche Arbeit tief zu reflektieren. Und dazu bietet die Tagung eine wunderbare Gelegenheit. Den Landwirtschaftlichen Kurs nehme ich immer in die Hand, wenn es um die geistige Verbindung mit meinem Hof geht. Er ist für mich eine Inspirationsquelle für die Meditation, für die meditative Erforschung der geistigen Grundlagen des Hofes, der sich in einer uralten Kulturlandschaft befindet. In den letzten Jahren habe ich mich sehr mit ganzheitlicher Landschaftsgestaltung beschäftigt. Dafür muss ich nicht nur die Geschichte der Kulturlandschaft, sondern auch die unterschiedlichen Wesenheiten, die in ihr wirken, kennen lernen und immer besser verstehen lernen. Ich lese den Kurs immer auf Deutsch. Auf diese Weise fühle ich mich Rudolf Steiner sehr nahe; es fühlt sich wie ein Gespräch mit ihm an.»

Christian Vera Ponce ist Journalist und Künstler in Lima und pflegt die uralten Feigenbäume seiner Familie im abgelegenen Siguas-Tal in Peru. Er erforscht und dokumentiert die Feigenkultur in verschiedenen Ländern und Epochen.